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Jede Begegnung ist etwas Besonderes
«Ich habe grossen Respekt vor den Menschen, die ihre Angehörigen im Sterbeprozess begleiten. Wichtig während der Nacht ist, dass die Angehörigen ruhig schlafen können, damit sie den Tag über ausgeruhter sind und den Abschiedsprozess so besser – in seelischem Gleichgewicht – leben können. Für mich ist jede dieser Begegnungen etwas Besonderes. Ich kann von den Sterbenden als auch von den Angehörigen viel lernen. Durch die Begleitungen ist mir das Leben viel kostbarer geworden.»

Veronika Zemp, Sterbebegleiterin

Veronika Zemp engagiert sich ehrenamtlich für die Hospizgruppe Toggenburg-Neckertal. Sie ist vor allem nachts unterwegs und begleitet Menschen während ihrer letzten Wochen und Tagen vor dem Tod. Für sie ist besonders wichtig, Sterbende mit ihren Ängsten nicht allein zu lassen und Angehörige in der Zeit des Abschieds zu unterstützen und zu entlasten.

Veronika Zemp, Sie arbeiten ehrenamtlich als Sterbebegleiterin bei der Hospizgruppe Toggenburg-Neckertal. Wie begegnen Sie einem sterbenden Menschen?
Für mich ist jede dieser Begegnungen etwas Besonderes. Wenn ich zu einer sterbenden Person komme, die ich nicht kenne, ist für mich wichtig, mich von meinem Alltag abzugrenzen. Mein Ritual: Ich ziehe meine roten Wollsocken an. Das hilft mir, in eine andere Sphäre zu gehen. Die Socken hat mir meine Schwester gestrickt, bevor sie gestorben ist. So fühlt es sich für mich an, als wäre sie in dieser Situation bei mir. Ich habe sehr grossen Respekt vor dem Sterbeprozess.

Wo setzt die Sterbebegleitung an?
Das Sterben besteht aus ganz vielen Phasen. Wir kommen erst in der Endphase dazu, nachdem schon ganz viele Phasen durchlebt worden sind. Die Angehörigen, wie die Sterbenden, haben sich mit dem Tod auseinandergesetzt. Für mich selbst ist das Sterben ein Prozess, der ins Leben gehört. Es gibt ein Anfang und ein Ende, die Geburt und den Tod, all dies gehört zusammen.

Warum engagieren Sie sich für die Hospizgruppe?
Ich habe 2011 die erste Begleitung gemacht. Das war kurz vor meiner Pensionierung. Ich hatte eine nahe Freundin, die bei der Krebsliga arbeitete und dann selbst an Krebs erkrankte. Ich durfte sie in ihrem Krankheits- und Sterbeprozess begleiten. Das war einerseits sehr traurig, aber auch tröstlich. Es hat mir gezeigt, wie tief, wertvoll und kostbar diese Prozesse fürs Leben sind.

Was macht eine Begleitperson für eine sterbende Person konkret?
Für mich steht das seelische Wohlergehen der Person im Zentrum. Dass ich ihr die Würde gebe. Ich stelle mich vor und sage immer, was ich mache. Ich signalisiere, ich bin jetzt da und sie können mir alles sagen, was sie bedrückt oder Wünsche äussern. Manchmal übernehme ich auch leichte Pflegearbeiten. Ich bin zwar selbst keine Pflegefachfrau, die Spitex oder auch Angehörige instruieren uns aber gut.




 

Was ist Ihnen bei dieser Arbeit besonders wichtig?
Das wichtigste ist, zu zeigen, dass man für die Person da ist. Ich übernehme vor allem nächtliche Begleitungen. In der Nacht ist die Situation immer noch dunkler als am Tag. Es kommen viele Ängste hoch. Dann ist es wichtig, dass ich einfach nah beim Bett sitze, dass die Person meine Hand halten kann, um sich irgendwo festzuhalten. Ich lasse die Person spüren, dass sie nicht allein ist. Es gibt aber auch aktive Momente. Manchmal möchte jemand noch etwas fernsehen, dann schaue ich mit. Oder ich bringe ihnen etwas zu trinken.

Wie unterstützen Sie die Angehörigen in dieser Phase?
Ich unterstütze sie, indem ich zuhöre. Ich versuche, aufmerksam zu sein und zu spüren, was sie brauchen. Manche möchten erzählen, wie sie sich fühlen. Manche eher nicht. Ich habe grossen Respekt vor den Menschen, die ihre Angehörigen zuhause sterben lassen. Wichtig während der Nacht ist, dass die Angehörigen ruhig schlafen können, damit sie den Tag über wieder fit sind und der sterbenden Person viel geben können. Bei längeren Phasen der Begleitung entstehen dadurch schöne Beziehungen. Manchmal trinken wir am Morgen noch einen Kaffee zusammen, bevor ich nach Hause gehe. Und manchmal können wir dann auch über etwas lachen. Es ist etwas sehr Wertvolles, dieser Austausch. Ich lerne sehr viel davon.

Was ist speziell bei der Hospizgruppe Toggenburg-Neckertal?
Wir unterstützen uns gegenseitig und tauschen uns regelmässig aus. Nebst unseren zwei Einsatzleiterinnen, die beide Pflegefachfrauen sind, haben wir auch einen Theologen und einen Mediziner in unserer Austauschgruppe. Wir sprechen über aktuelle Situationen und können alle um Rat fragen. Dabei fühlen wir uns als Begleiterinnen unterstützt und bestärkt in unseren manchmal doch sehr schwierigen Situationen. Wir können auch nach Bedarf Fortbildungen besuchen.

Was machen Sie, damit Sie diese Arbeit nicht allzu sehr belastet?
Es ist so, diese Arbeit geht mir ziemlich nah. Ich bin ein sensibler Mensch. Darum mache ich wahrscheinlich Sterbebegleitungen. Ich habe im Leben gelernt, mit dem Tod umzugehen. Für mich ist es schön, von Menschen zu lernen, von Sterbenden, Angehörigen und Pflegenden. Das Leben ist mir damit viel kostbarer geworden.


 

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